Dortmund-Gartenstadt, nördlicher Teil, in der Ferne das urbane Grundrauschen der B1. In diesem hübsch-behaglichen Setting wohnt in einem Reihenendhaus der Moderator Matthias Bongard, bekannt aus Funk und Fernsehen. Für „Quatschen mit Soße“ bereitet er nicht nur eine köstliche Rote-Bete-Pastete zu, sondern outet sich als Bio-Fan und Handy-Muffel.
Wer Matthias aus der WDR2-Sendung „Montalk“ oder dem TV-Magazin „Westart“ kennt, weiß: Er stellt ziemlich kluge Fragen, findet klare Worte und hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Den fliegenden Wechsel zwischen Tiefsinn und Humor schafft er spielend – beruflich wie privat. Ein Witzbold war er schon immer, das weiß ich aus sicherer Quelle, denn ich kenne ihn schon mein Leben lang, schließlich ist er mein Cousin. In den 70ern haben wir uns auf Familienfeiern über die Gags von Otto Waalkes und Loriot beömmelt, und bis heute sind unsere Treffen meistens ziemlich lustig (und zugegeben eher von Flach- als von Tiefsinn geprägt).
Der mit dem Handycap
Aber – das darf hier nicht verschwiegen werden – es existieren auch tiefe tiefe Gräben zwischen uns. Denn während ich mich ohne mein Smartphone völlig nackt und hilflos fühle und, egal wo ich bin, erstmal den Empfang checke, besitzt er noch nicht mal ein Handy. Ja, richtig gelesen, er hat kein Handy! Wieso nicht? „Brauch ich nicht“, sagt er. Hä? Wat? Echt jetzt? Als Journalist? Kein Handy? „Nö. Wieso?“, kontert der (trotzdem!?) erfolgreiche Moderator, der regelmäßig für hochkarätige Veranstaltungen gebucht wird. Funktioniert also offensichtlich prima nur über Old-school-Kanäle wie E-Mail oder Festnetztelefon. Hm. „Jetzt guck nicht so, als wenn ich se nicht alle stramm hätte“, lächelt Matthias milde. „Wieso soll ich irgendwo anrufen und Dinge sagen wie ,Ich komme fünf Minuten später‘ oder ,Wo bist du gerade‘?“
Das ist jedoch nicht sein Hauptmotiv. Er wolle sich vor allem nicht Datenkraken wie Google oder Facebook ausliefern: „Was Aldous Huxley in ,Schöne neue Welt‘ prophezeit hat, ist Kindergeburtstag gegen das, was heute in den sozialen, pardon, asozialen Medien passiert.“ (kleine Anmerkung für die Jugend von heute: der Roman war früher Pflichtlektüre im Englisch-Unterricht)
„Nimm Facebook, das ist eine kommerzielle Firma, die damit Geld verdient, dass sie Daten sammelt und verschachert. Ich schenke denen doch nicht mein Datenmaterial, damit die sich die Taschen damit voll machen.“ Langsam kommt er in Fahrt: „Ist doch irre, was die Medien für Handlanger von Twitter und Facebook geworden sind. Selbst in den Tagesthemen heißt es zum Beispiel ,Trump twitterte dies und das‘. Wenn die sagen würden ,Trump trinkt Coca-Cola und sagt das und das‘ würden sich alle aufregen, das sei Schleichwerbung. Bei diesen großen Medien-Unternehmen wie Facebook oder Twitter fällt das völlig aus.“
Zugegeben, da ist was dran. Aber wie googelt man denn ohne Google? „Mit Metacrawler, Qwant oder Ixquick. Die speichern meine Daten nicht und auch keinen Verlauf und senden keine Cookies.“ Und er setzt noch einen drauf: „Ich kann doch nicht einen Bitte-keine-Werbung-Aufkleber an meinen Briefkasten kleben und im Netz zulassen, dass ich den ganzen Tag mit Werbung zugeschissen werde.“ Erwischt! Okay, muss ich nochmal in Ruhe drüber nachdenken. Lass uns einfach über was Unverfängliches reden, Essen zum Beispiel.
Selten war ich schiefer gewickelt! Von wegen unverfänglich … „Essen ist eine politische Handlung“, konstatiert Matthias. Seit ein paar Jahren sind er und seine Frau Ursula Mitglied in einer SoLaWi (Solidarische Landwirtschaft). Was das ist? Eine Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaft, die sich selbst organisiert. In der Dortmunder SoLaWi sind knapp hundert Leute, die gemeinsam einen Hof gemietet haben, der von einem festangestellten Gärtner bewirtschaftet wird. Und so läuft das Ganze dann: Einmal im Jahr wird berechnet, was das kommende Wirtschaftsjahr kosten wird, also alles vom Saatgut über die Feldmiete und das Werkzeug bis hin zum Hauptfaktor Gemüsegärtner*in. Die Summe X, die dabei rauskommt, wird auf alle verteilt. Wer viel geben kann/will, tut das, und wer weniger hat, also z. B. als Studi oder Alleinerziehende*r, gibt weniger. Alle zahlen nun ein Jahr ihren festen Monatsbeitrag und bekommen dafür ihren Anteil vom Ertrag des Hofes. „Was Mutter Erde schafft, wird auf alle verteilt.“ Jede*r kann sagen, wovon er/sie gerne mehr oder weniger hätte.
Unterm Strich gibt’s halt immer das, was gerade reif ist, und das kann auch mal ziemlich viel von einer Sorte sein. „Mangold zum Beispiel spielte früher in unserem Leben eine eher untergeordnete Rolle“, lacht Matthias, „aber mittlerweile haben wir locker acht verschiedene Rezepte mit Mangold drauf.“ Man muss halt das essen, was kommt und nicht das, worauf man gerade Lust hat. Insgesamt überwiegen aber ganz klar die Vorteile: „Wir haben Saatgut in Demeter-Qualität, faire Arbeitsbedingungen, saisonales Gemüse, keine Lagerung, keine Kühlung, keine langen Transportwege.“
Auch beim Fleisch werden im Hause Bongard keine Kompromisse gemacht. „Von sieben Tagen essen wir fünf vegetarisch, und wenn’s dann mal Fleisch gibt, nur in Bio-Qualität.“ Teuer, oder? „Das hat natürlich seinen Preis, und ich zahl den gerne. Ansonsten verzichte ich lieber drauf.“ Und Obst? „Die Orangen kommen teils aus Brasilien, das heißt sie werden um die halbe Welt transportiert. Muss das sein? Der Apfelsaft aus heimischen Streuobstwiesen schmeckt doch auch! Aber der Mensch legitimiert sich ja alles, was er haben will.“ Da sag ich (die jeden Morgen Ananas, Kiwi, Mango und Träubchen in ihren Jogurt mixt) jetzt mal besser nix …
Während wir so quatschen, fängt Matthias mit der Zubereitung seiner Rote-Bete-Pastete an. Hingebungsvoll (anders kann man das nicht nennen) schält er eine Knolle nach der anderen, um sie dann in dünne Scheiben zu schneiden.
Kochst du viel nach Rezept?
Entweder ich kann’s blind oder ich halte mich sklavisch ans Rezept. Kennst du diese Leute, die beim Tanken genau auf 30 Euro kommen wollen und ab 29,70 ganz langsam und vorsichtig drücken und sich dann tierisch ärgern, wenn sie auf einmal bei 30,02 Euro sind? Genau so einer bin ich!
Echt, bist du so pedantisch?
Pedantisch? Ich? Nö. Akribisch!
Worauf achtest du beim Kochen?
Man braucht vernünftiges Werkzeug in der Küche. Es gibt so viel Tinneff, zum Beispiel Mikrowelle, Thermomix, Alessi-Kessel, Weber-Grill, das brauche ich alles nicht. Aber ein gutes Schälmesser ist ein Muss!
Die Zeit verfliegt wie nix und mir wird klar, dass ich nicht bleiben kann, bis das Essen fertig ist. Das kommt davon, wenn man mehr quatscht als kocht. Aber weil living.ruhr ja ein Ruhrgebiets-Blog ist, will ich wenigstens noch wissen, wieso er nach Dortmund gezogen ist und was ihm am Ruhrgebiet gefällt. Ursprünglich kommt Matthias Bongard aus Meinerzhagen im Sauerland, ein beschauliches Örtchen, das die meisten nur aus den WDR-Staumeldungen kennen.
„Ich bin ein stetiger Mensch. Okay, andere sagen: unbeweglich. Aber so bin ich halt. In meiner Familie werde ich verlacht, weil ich mit drei Getränken auskomme: Tee, Bier (und zwar nur eine bestimmte Sorte) und Wasser, mehr brauche ich nicht. Und so bin ich auch nicht viel umgezogen. Ich habe 19 Jahre in meiner Erstsemester-Bude in Münster gewohnt. Eines Tages besuchte ich Fritz Eckenga in Dortmund. Er erzählte mir, dass die alte Dame nebenan den Haushalt nicht mehr schaffe und ins Heim müsse. In der Nacht habe ich geträumt, dass ich dieses Haus renovieren würde. Ganz bald habe ich mich mit der Frau getroffen und wir waren uns ruckzuck handelseinig. Ich wollte eigentlich nie aus Münster weg, auch nicht nach Dortmund, und schon gar nicht jemals ein Haus kaufen, aber innerhalb von zwei drei Tagen war alles anders und ich hatte den Kaufvertrag unterschrieben. Eine Woche später kam ich meiner jetzigen Frau näher, die schließlich mit ihrem Sohn dann auch hier einzog.“
Rampensau und Sternegucker
Apropos stetig, da ist doch der Ausstieg aus „WestArt“ und diversen Radiosendungen sicher nicht leicht gewesen? „Ich war 25 Jahre permanent auf Sendung. War gespannt, ob mir das fehlt, aber so war es nicht, da war kein Loch, in das ich gefallen bin. Ich kann mich zwei Monate auf Samos untern Sternenhimmel setzen und vermisse keine Bühne. Ich kann Rampensau von jetzt auf gleich, aber ich kann’s auch von jetzt auf gleich weglassen. Eigentlich wünsche ich mir nichts außer Zeit!“ Und so war er letztes Jahr insgesamt elf Wochen auf Samos in seinem Ferienhaus, das er selbst über Jahre mühe- und liebevoll restauriert hat. „Ich nutze das als Luxus zu überlegen, worauf habe ich denn eigentlich noch Bock, welche Arbeit möchte ich gerne machen?“ Momentan ist seine Zeit prall gefüllt mit Moderationen, zum Beispiel für Veranstaltungen des WDR oder privatwirtschaftlicher Unternehmen. „Mir macht es Spaß, zum Beispiel Konzerte des WDR-Sinfonieorchesters zu moderieren. Da sind 1000 Leute in der Philharmonie kein anderer Wert als 160.000 im Fernsehen oder eine Million im Radio. Und selbst wenn nur 100 Leute da sind: Ich will das gut machen! Es geht nicht um Quantität. Die meiste Aufmerksamkeit habe ich schließlich, wenn ich die Verkehrsnachrichten vorlese!“ Aber es liegt doch im Wesen des Moderierens, dass nicht er, sondern immer die anderen im Mittelpunkt stehen, oder? „Klar! Bei Veranstaltungen bin ich nur das „Beibrot“, die Menschen kommen ja zum Sinfoniekonzert wegen Beethovens Fünfter und nicht wegen des Moderators. Ich kriege nur ein bisschen vom Rampenlicht ab.“
So, und nun Spot an für Matthias und seine Easy-peasy-Rote-Bete-Pastete! So wird’s gemacht:
Einkaufszettel für vier Personen
700 g Rote Bete ungekocht
100 g Mehl
3 Eier
200 g Sahne
1 EL Merrettich
Salz und Pfeffer
Der Reihe nach
• Rote Beet schälen und in dünne Streifen schneiden
• aus Mehl, Eiern und Sahne (und Meerettich) einen Teig rühren, tüchtig salzen und pfeffern
• Kastenform buttern und abwechselnd den Teig und Rote Bete (dachziegelartig) schichten. Mit Teig anfangen und enden
• Deckel drauf und im Wasserbad (!) bei 200 Grad 50 Minuten lang im Backofen garen
Dazu passt
500 g Feldsalat
Fürs Dressing: 1 EL grober Senf, 1 TL Honig, 50 ml Apfelessig und 150 ml Walnussöl verrühren
80 g Walnüsse (gehackt und oder ganz) obendrüber streuen und – wenn die gerade Saison haben – Esskastanien dazu reichen

Ich konnte wie gesagt nicht warten, bis das Essen fertig war, habe aber netterweise ein Foto des fertigen Gerichts per E-Mail bekommen
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