Babsi, die Farbenfee
„Mit Ocker und Braun kannste nix versau’n“, heißt es nicht umsonst in der Malerei. Sprich: Erd- und Naturfarben kommen ebenso wie zarte Töne – allen voran Beige, Nude und Co. – immer irgendwie geschmackvoll rüber. „Bunt“ ist dementsprechend für viele ein abwertender Begriff, ein Synomym für Kitsch und Farbchaos. Völliger Quatsch! Vielleicht fehlt der Beige-Fraktion ja auch nur das Talent, mit Farben richtig umzugehen?! Sie so einzusetzen, dass Raumwirkung und Stimmungen entstehen? Langer Einleitung kurzer Sinn: Babsi kann das! Ihre Wohnung in Gelsenkirchen-Buer ist eine Hommage an die Farben, ein Farbfest für die Augen, jawoll!
Wer Babsi sagt, muss auch Peter sagen, denn die beiden wohnen seit 12 Jahren – zusammen mit Sohn Max – in dieser riesigen Wohnung. 250 Quadratmeter zu bewohnen, ist natürlich ein fetter Luxus, aber so eine „Zimmerflucht“ (das Wort kommt einem unwillkürlich in den Sinn) wohnlich zu gestalten, ist auch echt ne Aufgabe. Eine, die Babsi spielend erledigt wohlgemerkt. Schon die Diele ist so groß wie sonst ein Wohnzimmer und sagt beim Eintreten freundlich „Hey, komm rein, fühl dich wie zu Hause“. Rote Wand, davor ein schwarzes Sofa mit bunten Kissen, afrikanische Skulpturen, Malereien, Bodenvase mit buntbemalten Stöcken – willkommen in Babsis Welt!
Das Auge wohnt mit
Direkt um die Ecke ein großer Esstisch, darauf Teelichter, Bilder und wunderbarerweise auch bald ein Tässchen Kaffee nebst Kuchen und Keksen. Im Plausch erzählt Babsi auf ihre zurückhaltend-freundliche Art von der Wohnung und wie sie 2003 hier eingezogen sind. Naja, eigentlich sind sie nur runtergezogen, denn vorher wohnten sie schon viele Jahre in der Dachwohnung obendrüber. Als die jetzige Wohnung, zu der auch ein wunderschöner Garten gehört, dann frei wurde, haben Peter und sie zugegriffen. „Wir mussten nicht viel renovieren, die Vorbesitzer hatten schon alles gemacht. Wir haben nur ein paar Sachen verändert und die Wände gestrichen.“
Apropos Wände und apropos Streichen: Immer drauf mit den kräftigen Farben, scheint hier die Devise zu sein. Oh oh, das kann auch schief gehen, oder? „Ja klar“, gibt Babsi zu. Deswegen macht sie intensive Farbstudien, bevor sie sich entscheidet, malt Papier oder Leinwände in einer Farbe an, kombiniert sie mit anderen, lässt das Ganze ein Weilchen auf sich wirken, bevor sie dann eine ganze Wand beispielsweise altrosa streicht. In ihrem eigenen Zimmer hat sie einige dieser Leinwände zu einer Art Mosaik kombiniert, das sieht super aus und zeigt ihr sensibles Feeling für Farben.
Lauter Lieblingsecken
Meine persönliche Lieblingsecke ist im Wohnzimmer, ein roter Le Corbusier-Sessel mit einem superschönen Gemälde dahinter (wenn ich das nächste Mal bei Babsi bin, denke ich hoffentlich daran zu fragen, wer’s gemalt hat …) und dem Kamin daneben. Auf der Stelle überkommt mich das Bedürfnis, mich da für einen Abend mit Buch und Rotwein einzumuckeln. Und in Ruhe aus dieser sicheren Ecke die Weitläufigkeit des Raumes auf mich wirken zu lassen. Eine Wand ist komplett mit deckenhohen Bücherregalen vollgestellt, eine richtige Bibliothek! Und irgendwie ist das Zimmer fast schon ein Museum, denn auf dem Boden und auf den Fensterbänken stehen lauter Skulpturen. Woher kommen die? „Meistens stolper ich irgendwie darüber“, grinst Babsi, „ich suche sie nicht. Sie sind im Laufe von vielen Jahren irgendwie zusammengekommen.“
Kissen-Queen
Auffallend ist neben den ganzen Objekten übrigens auch die außerordentlich hohe Vasendichte in diesem Haushalt. „Ja, ich steh total auf Vasen und Gefäße. Im Keller ist noch ein ganzes Regal voll, da biegen sich die Bretter“, beichtet sie kichernd und errötet vornehm. Vasen kann man gar nicht genug haben, finde ich, genau so wie Kissen. Kissen! Ich hab nicht durchgezählt, aber die Anzahl von Vasen und Kissen dürfte sich die Waage halten. Letztere haben überwiegend Stoffbezüge, und zwar in allen erdenklichen Farben und Mustern (jahreszeitlich wechselnd übrigens, also Blümchen und Co. im Sommer, Filz und Strick im Winter) – und auf wundersame Weise passen alle zusammen! Überhaupt, Babsi hat ein bewundernswertes Händchen zum Kombinieren und Dekorieren (sollte sie das jemals beruflich tun, wird sie damit sicherlich sehr erfolgreich sein). Je länger man in ihrer Wohnung sitzt und guckt und guckt und guckt, je mehr entdeckt man und begreift, wie unglaublich raffiniert und liebevoll sie ihr Zuhause bis in die letzte Ecke gestaltet hat, das ist echt Kunst irgendwie …
Keine Angst vor Rot Gelb Blau
Die Einbauküche ist total funktional eingerichtet, Stauraum ohne Ende und trotzdem echt gemütlich – und bunt natürlich, bis hin zum wohl vollständigsten Dibbern-Geschirr, das ich je gesehen habe. Weiter geht’s in meine zweite Lieblingsecke, ein total blaues Badezimmer! Mit winzig kleinen Bisazza-Fliesen in einem Blau, das ich sonst nur vom Himmel über Bayern (da war ich letztens im Urlaub, daher sei mir der Vergleich verziehen) kenne. Dazu blaue Glasbausteine, blaue Handtücher und eine blaue Vase (ja, auch im Badezimmer ist Platz für Vasen).
Richtig geflasht bin ich dann von dem Schlafzimmer der beiden, wow, wow, wow! Eine tomatenfeuerwehrblutrote Wand hinterm Bett, alle Achtung! Sieht einfach nur wunderbar aus. Nichts lenkt von der Farbe ab, allein der quietschgelbe Nachttisch und das grüne B setzen kleine, nette Akzente. Schwarz-weiße Kissen und ein schwarz-weißer Musterteppich von nanimarquina gleichen den Farbflash wieder aus und geben grafische Struktur und Ruhe. Was für ein toller Raum!
Wieder was gelernt!
Als ich diese Wohnung eine Stunde später hochinspiriert wieder verlasse, habe ich das gute Gefühl, nicht nur was Schönes gesehen, sondern auch etwas über Interiordesign gelernt zu haben (dafür danke, liebe Babsi!!!): Es gibt überhaupt keinen Grund, vorsichtig mit Farbe umzugehen, nur Mut! Wenn’s nicht aussieht oder einem nach ’ner Zeit auf die Nerven geht: drüber streichen, ist ja nicht für die Ewigkeit! Der liebe Gott hat doch nicht all diese wunderbaren Farben erfunden, damit wir weiße Raufasertapeten an unsere Wände kleben! Farben machen glücklich! Jawoll!
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Hallo Bettina,
Danke fuer den Blog! Natuerlich interessiert es mich zu wissen wie die (der) Deutsche wohnt, vor allem im Ruhrgebiet wo Wohnkultur ganz wichtig ist, bei dem haeufigen Mistwetter. Und sofort fuehle ich mich wohl und heimisch und sofort deutsch ( in meinem kalifornischen Heim), wenn ich die Bilder von Babsi’s und Peter’s Wohnung sehen.
Wann kann man einziehen?
Liebe Afrid, das ist eine schöne Vorstellung, dass du in Californien sitzt und meinen Blog liest, ich freu mich! Vielleicht tauschen Babsi und Peter ja mal mit dir die Wohnung 😉 Und soooo mistig ist das Wetter in diesem Sommer hier gar nicht … it never rains in southern gelsenkirchen … 🙂 Herzliche Grüße, Bettina
Sehr, sehr inspirierend. Meine Küche ist zwar auch schon ziemlich mutig blaugrün, aber da auf jeden Fall geht noch was! Vielen Dank für`s Türöffnen (Babsi) und Beschreiben (Bettina)!
… aber da geht auf jeden Fall noch was! So…
Gerne 🙂
Was für ein fulminantes Farbkonzept! Meine Versuche etwas mehr Farbe „in die Bude“ zu bringen sind immer missraten. Mut zur Farbe allein genügt nämlich nicht, man muss auch richtig kombinieren können. Ich ziehe den Hut vor Babsi und Peter, sie haben den Bogen raus.
Toller Artikel! Vielen Dank, Bettina!
Gern geschehen, liebe Marion, vielen Dank für die Blumen 🙂